Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Das „dritte Geschlecht“: BVerfG Beschluss gilt nicht für Transgender und Transsexuelle
Begründet wird die Entscheidung damit, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) die geschlechtliche Identität schützt und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vor Diskriminierung wegen ihres Geschlechts schützt. Nach Auffassung der Richter werden „Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen […] in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt“. Nicht von der Änderung des Personenstandgesetzes erfasst, sind sogenannte Transgender und Transsexuelle: Diese haben, im Gegensatz zu intersexuellen Menschen ein biologisch eindeutiges Geschlecht, zu dem sie sich jedoch psychologisch nicht zugehörig fühlen. Intersexuelle Menschen hingegen haben körperliche Besonderheiten (die äußeren Genitalien, den Chromosomensatz und die inneren Genitalien) aufgrund derer eine eindeutige Zuordnung zu männlich oder weiblich nicht möglich ist.
Auswirkungen auf die Arbeitgeber-Praxis
Die gesetzlichen Änderungen ziehen in der Praxis eine Reihe von unmittelbaren Folgen für Arbeitgeber nach sich. Darüber hinaus sind Personalabteilungen aufgefordert, weitere mögliche Folgen zu bedenken. Zu nennen ist beispielsweise eine Anpassung an das dritte Geschlecht bezüglich Kleidervorschriften, Minderheitenquoten und der Formulierung in Stellenanzeigen. Zwar kennt das Arbeitsrecht im Grundsatz nur Arbeitnehmer und Arbeitgeber, seit Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wird die Rechtsprechung jedoch auf die Zulässigkeit des dritten Geschlechts hin kritisch zu sehen sein: Der Begriff des Geschlechts im Sinne des AGG meint die biologische Zuordnung zu einer Geschlechtergruppe und ist damit ausdrücklich nicht auf männlich oder weiblich beschränkt.
Stellenanzeigen und das dritte Geschlecht
Zumindest ist nunmehr die Bezeichnung klar, so dass Sie die Titel einer Stellenanzeige anpassen können. Spätestens seit der Einführung der Beweislastumkehr des §22 AGG (allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) ergänzten viele Arbeitgeber den Stellentitel um ein nachgestelltes (m/w) oder auch (w/m). Damit sollte signalisiert werden, dass sowohl Bewerbungen von Männern als auch von Frauen willkommen sind und diese gleichbehandelt werden.
Erweitern Sie spätestens zum 01.01.2019 das übliche (m/w) auf (m/w/d).
Generelle Ansprache des dritten Geschlechts
Neben der Frage, wie Stellenanzeigen diskriminierungsfrei formuliert werden können, ist auch offen, wie eine generelle Ansprache der Menschen mit dem dritten Geschlecht erfolgen soll. Der Gesetzgeber geht von keinen Anpassungsbedarfen aus (siehe unten), überlässt die konkrete Ausgestaltung jedoch der Praxis.
Unternehmen können daher ihren eigenen Weg finden. Ich persönlich bin nicht der Meinung, dass sich an allgemeinen Anreden wie „Sehr geehrte Damen und Herren“ kurzfristig etwas ändern wird. Das hat mit meiner Vermutung zu tun, dass Vertreter des dritten Geschlechts sich wahrscheinlich in den seltensten Fällen im betrieblichen Umfeld outen und auf eine gesonderte Ansprache pochen.
ABER: Wie so oft, ist insbesondere das Gespräch mit den Betroffenen zielführend. Fragen Sie nach, wie eine Anrede erfolgen soll.
Gesetzgeber sieht das generische Maskulinum als ausreichend an
In der Erläuterung zum neuen Gesetz findet sich folgende Aussage mit Blick auf die generelle Anpassung der Ansprache:
„Weitergehende sprachliche Anpassungen sind nicht erforderlich. Der weit überwiegende Teil der Rechtsvorschriften knüpft nicht an das Geschlecht an. In der Gesetzessprache findet dies regelmäßig seinen Niederschlag durch die Verwendung des generischen Maskulinums. Da das generische Maskulinum gerade nicht auf das somatische Geschlecht abstellt, ist eine sprachliche Anpassung von Rechtsvorschriften, die diese Form der Geschlechtsangabe verwenden, in Folge der neu geschaffenen Angabe „divers“ im Personenstandsrecht nicht erforderlich.“ (Hervorhebung durch den Autor dieses Beitrags)
Und selbst bei bisheriger Verwendung von männlichen und weiblichen Begriffen bei der Ansprache, sieht der Gesetzgeber keinen sprachlichen Anpassungsbedarf:
„Auch in Rechtsvorschriften, in denen im Zuge der Herstellung der sogenannten geschlechtergerechten Sprache statt des generischen Maskulinums jeweils beide Geschlechter genannt werden, ist davon auszugehen, dass diese Variante nicht exklusiv wirken soll. Auch hier ist eine sprachliche Anpassung nicht erforderlich, da ohne weiteres ersichtlich ist, dass auch Menschen ohne Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter gemeint sind.“
Bewerbungsverfahren: Onlinebewerbung mit unzureichender Geschlechtsauswahl
Ein aufgrund der neuen Rechtslage durchaus bedenkenswerter Punkt ist die häufig nötige Geschlechtsangabe in Bewerbermanagement-Systemen im Rahmen von Online-Bewerbungen. Hier herrscht zwar kein unmittelbar gesetzlich geregelter Anpassungsbedarf, allerdings könnten sich Menschen des dritten Geschlechts bei unzureichenden Geschlechts-Auswahloptionen in (HR-)IT-Systemen diskriminiert fühlen. Ich gehe davon aus, dass die Anbieter von Softwarelösungen sich nach und nach darauf einstellen.
Toiletten und Sanitäreinrichtungen
Eine häufige Frage im Zusammenhang mit dem dritten Geschlecht ist: Müssen Arbeitgeber im Unternehmen nunmehr weitere Sanitärräume oder Umkleideräume zur Verfügung stellen? Das wäre die dann die vierte Toilette neben Männertoilette, Frauentoilette und Toilette für körperlich beeinträchtigte Menschen.
Hierzu gibt es keinen gesetzgeberischen Handlungsauftrag. Ich persönlich glaube, dass Arbeitgeber allenfalls auf Uni-Sex-Toiletten umstellen werden, dort wo dies möglich ist. In den allermeisten Fällen ergibt sich vermutlich gar kein Handlungsbedarf. Aber auch hier hilft das Gespräch mit Betroffenen.
Auswirkungen des dritten Geschlechts auf die Betriebsratswahl
Tatsächlich rechtliche Auswirkungen ergeben sich im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl. Denn nach § 15 BetrVG soll das Minderheitsgeschlecht im Betriebsratsgremium mindestens so stark vertreten sein wie in der Belegschaft. Bislang war das Minderheitsgeschlecht stets entweder Mann oder Frau. Mit der rechtlichen Aufwertung des dritten Geschlechts durch das neue Gesetz, sofern es intersexuelle Menschen im Unternehmen gibt, dürfte in den meisten Fällen dieses das neue Minderheitsgeschlecht sein.
Das Thema ist deswegen ein wenig kniffelig, weil damit das bisherige Minderheitsgeschlecht gesetzliche Vorteile verlieren würden, da es rein faktisch zukünftig nicht mehr das am geringsten im Unternehmen vertretenen Geschlecht darstellt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich im Unternehmen Menschen mit dem dritten Geschlecht befinden, die für die Betriebsratswahl kandidieren und sich in diesem Rahmen mit ihrem Geschlecht outen, ist tendenziell jedoch gering. Ob Wahlvorstände zukünftig eruieren müssen, ob wahlberechtigte Mitarbeiter des Betriebes dem dritten Geschlecht angehören, um gesetzeskonform zu handeln, wird die Juristen in den Unternehmen frühestens in Vorbereitung der Betriebsratswahl 2022 beschäftigen.
Letztlich ist hier der Gesetzgeber gefordert, praktikable nicht-diskriminierende Lösungen zu finden.